Reise durch den Baierschen Kreis. 1784 Eine Blüthenlese Textgrundlage : die 2. erweiterte Ausgabe, ebenfalls 1784. — Druckfehler, Schreibfehler, etc. gehen zu Lasten dieser Ausgabe. Es wurde versucht, eine Auswahl zu treffen, die (soweit dies möglich ist) den Geist des Buches wiedergibt. — Wünschenswert wäre eine Neuauflage, die aber (soweit ich die 'baierschen' Verhältnisse kenne) in einer absehbaren Zeit wohl kaum zu erwarten ist. (...) Nur was ich über Sittlichkeit, Aufklärung, Volkskarackter und Nationaldenkart aufhaschen kann, soll hauptsächlich mein Gegenstand seyn. Ich will mich, so viel es thunlich ist, mit der Nation familiarisiren, will sie über sich selbst reden hören, sollt ich auch, — wie weiland Dechant Swift — die Gelegenheit dazu in Taglöhnerhüten und Winkelschenken aufsuchen müssen. (Seite 1) Passau.
(...) Wäre nicht im sechszehnten Jahrhundert zwischen den Katholiken und Protestanten hier der bekannte Passauischen Religionsvertrag geschlossen worden, wäre die Stadt nicht der Sitz eines jener politischen Mitteldinge, die in Deutschland unter dem Namen der Fürst=Bischöfe existiren, so würde sie ausser ihrem Kreise ganz unbekannt seyn. Der Ort ist nicht so ganz unansehnlich, als man es von einem Platze vermuthen sollte, der vermöge des Zusammenflusses zweener schiffbarer Flüsse seinen Ursprung unbezweifelt einigen Bootsknechten und Fischern zu danken hat. Er liegt zwischen zwo Festungen, einer überirdischen, und einer irrdischen. An der Südseite liegt die himmlischen Zitadelle Maria=Hilf: An der Nordseite der Donau liegt die bischöfliche Festung Oberhaus. Ich weiß nicht, was Sie bey dem Ausdruck denken; aber mir kömmt eine bischöfliche Festung eben so ärgerlich vor, als mir ein bischöfliches H**haus seyn würde: Ich denke für einen Bischof sind beide Dinge gleich unanstandig; und finde nicht, was die heiligen Kanonen mit den Festungskanonen für eine Verbindung haben können, so oft auch immer die ersten durch die leztern gepredigt worden.Der verstorbene Fürst=Bischof, der die bekannte Prachtliebe, und das grosse Herz aller Firmian´s hatte, gab dem Platz eine Zeitlang ziemlich viel Lebhaftigkeit; aber die Revenüen seines Erdkreises reichten nicht lange hin, den grossen Plan fortzusetzen. Die Schulden häuften sich. Man schränkte sich also wieder ein, und es divertirte sich der Hof beynahe bloß noch mit der Jagd. Der itzige Fürst=Bischof ist ein Graf von Auersperg. Weil nach Firmians Tode der Kaiser alle in Oesterreich liegende Güter, die sowohl zur fürstbischöflichen Tafel als zum Kapitel gehörten, nebst der ganzen Diöcese, wo weit sie in seinen Landen liegt, eingezogen hatte, so fand er sich genöthiget, seinen Hofstaat viel enger zusammenzuziehen. Zwar kamen die Güter wieder alle zurück, aber die Diöcese blieb, was sie war, für immer verloren, und Passau muß nun auch den Bischof zu Linz erhalten, daß also noch immer die Sparsamkeit die vorzüglichste Tugend für den Fürsten werden mußte. (Seite 2-4) (...) Die Passauer sind übrigens lebhaft und guten Humors. Wäre die Stadt nicht so sehr mit Pfaffen angefüllt, die es bekanntlich noch immer für nöthig halten, die natürlichsten Dinge in heiligen Nebel einzuhüllen, so würde sie kein unwitziges Völklein beherbergen. Dieses Nebelsystem drückt aber hier desto mächtiger, weil die Geistlichen nicht bloß predigen, sondern herrschen. (Seite 7) (...) Straubingen.
Auf der Reise hieher hab ich zwei mir merkwürdige Orte besucht. Es ist Nieder=Alteich, und Deckendorf.Nieder=Alteich ist die reichste Benediktiner Abtei im baierschen Kreise, die aber im Jahr 1774. beinahe Bankrut gemacht hätte, und noch itzt in gräulichen Schulden steckt. Sie liegt nicht ferne von der Donau, und ist ein weitläufiges und zum Theil sehr prächtiges Gebäude. Dieß Kloster zählt gewöhnlich gegen 65 bis 70 Mönche, wovon aber zwei Detaschements abwesend sind, davon das eine unter einem Prior zu St. Oswald an der Gränze von Böhmen, und das andre zu Riechnach steht. Auch einzelne Mönche stehen als Pfarrer auf den Dörfern, oder als sogenannte Pröbste auf Schlössern, die zur Abtei gehören. Die jährlichen Einkünfte sollen sich wenigst auf 95000 Gulden belaufen. Die Schulden betragen ungefähr eine halbe Million. Der verstorbene Prälat, Augustin Ziegler, brachte dieses Sümmchen ganz in der Stille auf den Konto; und Schmarozer, Mätressen und Musikanten halfen ihm in die Wette zur Verschwendung. Ich habe hier Wunderdinge von ihm erzählen hören; er führte das luxuriöseste Leben, das sich für einen Prälaten denken läßt. Den leeren Titel eines kurfürstlichen geheimen Rathes bezahlte er mit 10000 Thalern, damit man ihn Eure Excellenz, Hochwürden und Gnaden betiteln mußte. Nebst seinem Kammerdiener hielt er noch zween Leibpagen. An seinem Namenstage floß alles, was in der ganzen Regierung Straubingen Hochwürdig, Gnädig und Gestreng hieß, im großen Speisesaal von Niederalteich zusammen; seinem Kabinet gegenüber stand schon am frühesten Morgen ein Kor mit Trompeten und Pauken: Sobald Se. Excellenz die Augen aufschlug, zogen die Leibpagen die damastenen reich mit Gold geschmückten Vorhänge von den Fenstern; Trompeten und Pauken wirbelten und eine Batterie von kleinen Mörsern donnerte in der ganzen Nachbarschaft den Namenstag des wichtigen Mannes aus ... Von irgend einer wissenschaftlichen Betriebsamkeit war unter seiner Regierung auch nicht eine Spur dort; aber Musik herrschte in vollem Glanz. Diese war einige Jahre lang das einzige Verdienst, das der wollüstige Prälat suchte; denn es war ihm unmöglich geworden, einen Schmaus ohne vollstimmige Tafelmusik zu verdauen ... Reisen hieher nach Straubingen, wo er nicht selten dem ganzen garnisonirenden Offizierskorps oder dem ganzen Regierungskollegium Abendschmäuse von fünfzig Loisd´ors am Werthe gab: Reisen nach Passau und München, wo ihn die Launen Amors noch mehr kosteten als der geheime Rathstitel: Spieltische und Jagden, und überhaupt alles, was Luxus heißt, machten hier einen ewigen Zirkeltanz. So ein Mann hätte, wie Sie sehen, den Schatz von Loretto erschöpft. Auch giengs der Kasse von Niederalteich nicht besser. - Man fieng an, Geld aufzunehmen. Es fanden sich immer mehr Gläubiger genug. Man setzte die Unterthanen in Kontribuzion, und nahm reiche Kandidaten ins Kloster; das waren aber Tropfen in einen Ozean. Der Prälat verfiel auf Kunstgriffe; er stellte schwere Schuldbriefe in seinem und des gesammten Kapitels Namen aus, von denen das Kapitel nichts wußte; er zitirte seine Pröbste und Pfarrer in das Kloster, fuhr indessen aufs Schloß, ließ sich Schränke und Schatullen öffnen, nahm das baare Geld mit sich fort, und schickte den geäften Pater wieder auf seine Stazion, wo er ein Zettelchen fand, das ihm sub voto obedientiae verbot, von der vorgefallenen Plünderung etwas zu entdecken. Alles reichte nicht mehr hin. Endlich negozirte der Prälat, wieder mit falschem Kapitalschein, eine Summe von mehr als 20000 Thalern auf einmal zu ungeheuern Zinsen ausser Landes; aber zufälliger Weise ward die Sache ruchbar, und nun brach der Sturm los. Der Prälat mußte resigniren; man gab ihm eine Pension, mit der er sich hier in Straubingen eine mittelmäßige Wohnung miethete, bei den benachbarten Prälaten um Meßstipendien supplizirte, seine Abende zwischen einer Flasche Tyroler und einigen veralteten Stadtfräulein theilte, und bald vor langer Weile starb. Ich denke nicht, daß Sie über diese kleine Prälatenbiographie ungehalten werden. Als Prälat ist der Mann zwar unbedeutend, so wie überhaupt kein Prälat als Prälat einiger Anmerkung werth ist; aber er wird es durch seine Folgen. Seit seiner Entsetzung strengt das Kloster alles an, aus den Schulden zu kommen. Auf wen fällt nun die Last der haushälterischen Strenge? Nicht auf das Kloster selbst, wie Sie leicht vermuthen: Das Kapitel würde den Abbt, der gar zu filzig gegen dasselbe seyn wollte, eben so zur Resignazion verdammen, wie den, der zu verschwenderisch war. Das Unangenehme der erzwungenen Sparsamkeit wir den Unterthanen der Abbtei zu Theil. Man belastet sie nun in gedoppeltem Maaße mit Frohndiensten; man treibt die Gefälle und Abgaben mit unerbittlicher Strenge, ohne Nachsicht auf Hagel, Tröckne, Viehseuchen etc. ein; man jagt den in Schulden gerathenen Bauer um so eher von seinen Gütern, weil bey dem neuen Ankäufer auch wieder neue Taxen zu erheben sind; man bricht dem Tagelöhner und Handwerksmann am Arbeitslohn ab; man erhöht den Preis der Lebensmittel, weilche die Unterthanen vom Kloster nehmen müssen, wie z.B. das Bier; man vermehrt die gewöhnlichen Strafgelder etc. etc. Da nun das Kloster 300 bis 400 Unterthanen hat, so sehen Sie, daß ein solcher infulirter Verschwender, der Anlaß zur Drückung so vieler Leute giebt, in seiner Provinz kein ganz unwürdiger Mann ist. Es soll verhältnißmäßig noch mehr derlei Prälaten in Baiern geben. (Seite 10-13) (...) Die Mädchen von Straubing, und um Straubingen sind fast durchgehends sehr schön. Sie haben etwas weniger Fett, als die Passauerinnen, und etwas mehr Geist als die oben. - Nichts ist reitzender, als wenn man an einem Tage, wo sehr viel Bauernvolk in der Stadt sich zu versammeln pflegt, nach Straubingen kömmt. - Lieber Karl! wirklich, du würdest nicht wissen, wohin du dein Aug wenden solltest, wenn du so auf allen Seiten die niedlichsten und nettesten Bauernmädchen vor dir, und neben dir herumspatzieren sähest. Sie sind fast alle wohl gewachsen, haben einen kernhaften Körper, und die gesündeste und blühendste Gesichtsfarbe. Du siehst keine Leidenschaft in ihren Mienen, als den simplen Ausdruck der Natur und den Genuß eines frohen zufriednen mangel= und kummerlosen Lebens. Was ihre Schönheit noch mehr erhöht, ist die Kleidung, so sie tragen. Feine schwarze Schuhe, mit Nesseln gebunden, feinweiß wollene Strümpfe, ein kurzer schwarzer Rock, dann ein rothes Mieder, das einen breiten Latz vor der Brust, und auf dem Latz einen breiten goldnen Borten hat, ein ausgenähtes Tuch um den Hals, dann auf dem Kopfe ein fein weiß leinwatenes Hauptentuch, worein mit schwarzer Seide schönes Blumwerk gestickt ist, dessen Spitz über die Stirn herabgeht, dessen Spitz über die Stirne herabgeht, und unter dem Spitze ein Paar blitzende Augen, aus denen die Freude lacht. - Alles dieses zusammengenommen, siehst du bey 100 wie bey einer, immer im nämlichen Grade der Reinlichkeit und Nettigkeit. Wahrlich, es müßte das Eis in deinem Herzen aufthauen, und du würdest dabey aller deiner Stadtdamen mit ihrem schwammichten Fleische, und ihren aufgetragnen Farben vergessen. - Dabey halten die Mädchen auf Ehre, und obgleich einige umliegende Cavaliers sich Maitraissen von ihnen hohlen, so vermag doch ein Städter überhaupt nicht viel bey ihnen, und wenn sie eines dergleichen ausgemergelten Siechlings gewahr werden, so höhnen sie seiner. Sie halten sich lieber an die Bauerjunge, starke, und gesund Pursche etc. (S. 19-20) (...) Regensburg.
Regensburg ist eine finstere, melancholische und in sich selbst vertiefte Stadt: Dieß ist der Gruß, mit dem sie alle Reisebeschreiber ansprechen; und um die Wahrheit zu gestehen, muß man sagen, daß er richtig ist. Der Ort ist bekanntlich eine Reichsstadt; folglich hat die Spißbürgerei da wie in den meisten Reichsstädten grosse Souverainsrechte, davon einem die Merkmale beim ersten Eintritt in die Augen fallen. Die Stadtwache, die Kleidungstracht, das Pflaster, die Mundart, die Manieren, alles spricht laut, daß da Reichsbürger wohnen. Die engen Gassen, die Unregelmäßigkeit und der Ruß an den Häusern beurkunden das hohe Alter der Stadt. - Sie hat etwa 15000 Einwohner.Von dem politischen System und der Magistratur des Reichstages sage ich Ihnen nichts; diese erhabne Versammlung ist keinem Deutschen unbekannt. - Obschon die Stadt Regensburg keine eigne beträchtliche Ressource hat, will sie sich von dem Glück nicht recht überzeugen, das sie mit dem Reichstag in ihren Mauern besitzt. Dieser illustre Konvent nährt sie großentheils in guten Jahren, und schützt sie in mißlichen Zeiten, daß der Kurfürst von Baiern im Fall eines unfruchtbaren Jahres durch die wöhnliche Sperre der Lebensmittel sie nicht aushungre. Gewiß hat sie einen großen Theil ihrer Existenz seit dem Hungerjahre 1771. bloß jener Versammlung zu danken, da sie sonst ohne einen Fußbreit Landes ausser ihren Mauern vermuthlich wenigst die Hälfte ihrer Bewohner verloren hätte. Einige Krämer machen, wie die Bubenmonarchen in allen Reichsstädten gewöhnlich zu thun pflegen, grosses Geschrei, daß von den Bedienten der Gesandten einige Kleinigkeiten zollfrei in die Stadt gebracht, und darin etwas wohlfeiler wieder verhandelt werden, als sie es geben wollen; die, welche am Zoll der Stadt sitzen, helfen sehr natürlich das Geschrei vergrößern: Aber man erwarte, daß durch die zu vermuthende Revolution von Niederbaiern der Reichstag für gut finde, sich an einem andern Platz zu fixieren, und dann wird das Geschrei der Regensburger gegen die Abwesenheit dieser Versammlung zuverlässig größer, als es izt wider die Gegenwart derselben ist. Da nebst den sämmtlichen deutschen Reichsständen fast alle Souveräne Europens ihre Gesandte hier halten, und der reiche Fürst von Thurn Taxis kaiserlicher Prinzipalkommissarius ist, so ist es unausweichlich, daß dieser Konvent nicht einen beträchtlichen Aufwand zu Gunsten der Stadt machen müsse. Der genannte Fürst soll bloß von seinen Postgefällen jährlich an die 350000 Gulden ziehn, nebst denen er noch einige einträgliche Güter in Schwaben und Böhmen besitzt. Es ist mir räthselhaft, wie man vor einigen Jahren, bei Ankunft eines rußischen Gesandten, sich lange bedenken, und eine Weile darüber disputieren konnte, ob man dem Gesandten seinen griechischen Gottesdienst erlauben könne, weil im westphälischen Frieden die griechische Religion nicht eingeschlossen ward. Merkwürdig ist es, daß diese protestantische Stadt fünf katholische Reichsfürsten in ihren Mauern hat. Es sind der Fürst=Bischof, der Fürst von Thurn=Taxis, der Fürst von Emerann, die Fürstinnen von Obermünster und Niedermünster. (Seite 32-33) (...) Soll ich Ihnen auch von der berühmten Brücke etwas sagen? Daß sie ein Lehrpursche mit Beyhilfe des Teufels gebaut, ihm die ersten zween versprochen, welche darüber gehen würden, dann zween Hahnen darüber gejagt, die der geprellte Teufel aus Zorn in Stücke zerrissen, wissen Sie vielleicht schon; und daß dieses Mährchen unter dem gemeinen Volk von Baiern noch hie und da im Ernste geglaubt werden, kann ich Ihnen auch versichern. (Seite 43) (...) Unbeschreiblich ist der Nationalhaß der Baiern gegen die Oberpfäluer, oder Pfälzler, wie die Baiern es sprechen, so daß der Name Pfälzler beinahe ein Schimpfnamen ist. Sie haben auch einen gewissen singenden Accent in ihrer Mundart (besonders bei den lezten Sylben der Konstruktionen) der sie von dem ächten Baier, welcher nichts Sangbares in seine Aussprache zu legen pflegt, auf der Stelle unterscheidet. Ich habe mich bemüht, die Quelle dieses Hasses aufzufinden, aber ich konnte nichts zuverläßiges darüber erfahren. Soviel weis ich, daß die Pfälzer in ihren Sitten sich sehr von den Baiern unterscheiden: es sind kleine Pürschgens, die entsetzlich viel Eitelkeit haben, unerträgliche Schwätzer; erst kriechend, sich an jedermann hängend und einschmeichelnd; dann, wenn sie sich emporgeschwungen haben, stolz, und pralend. Ihre allgemeine Armuth, die ihnen nichts zu essen verstattet, als Erdäpfel, die sie auf hunderterlei Arten in Pastetn, Klösse, Brei, Salat etc. zu verwandeln wissen, macht sie hauptsächlich so geschmeidig. Sie laufen unter allen bürgerlichen Gestalten häufig nach Baiern, machen erst Hausknechte, Schuhputzer, Kuppler, Trödler, Gaukler, Pflastertreter, schmiegen sich in alles, lassen sich zu allem gebrauchen, prellen nebenbei denn offenen unargwöhnischen Baier auf zwanzigerlei Arten mit glatten schönen Worten. (...) Ihre Geschäftigkeit ist unerschöpflich, dadurch schwingen sie sich dann von der untersten Stuffe der gesellschaftlichen Leiter allmählig höher, bringen endlich ihre ehemaligen Herren selbst unter die Füsse, und tirannisiren sie dann, wie es von solchen Parvenus zu erwarten ist. Eine Menge einträglicher Stellen beim Zivile, Militär, und Klerus sind mit dergleichen Pfälzern in ganz Baiern besetzt, die sich an ihrem Posten, wenn sie einmal festsitzen, in gedoppeltem Masse an den Personen und Geldbeuteln der Baiern für alles das wieder rächen, was sie auf dem Wege zu ihrem Glück ausstehen mußten. Dieß haben mir umständlich viele glaubwürdige Leute in Baiern erzählt, und hierin liegt mein Erachtens die Quelle jenes schweren Nationalhasses, der allmählig ohne Ausnahme allgemein geworden ist; so, daß sich sogar einige Gemeinheiten, zum Beispiel einige Klöster, feyerlich verbunden haben, nie einen Pfälzer in ihre Versammlung aufzunehmen. (Seite 45-46) (...) Landshut.
Die Bürger von Landshut sind sehr eifrig katholisch. Von ihrer Religiösität erzählt man folgenden Zug. Die Stadt Landshut gehört bis zur Isarbrücke in die Diözese des Bischofs von Freysingen. Was über der Isar liegt, nämlich die Vorstadt Seligenthal, von dem darin liegenden Nonnenkloster so genannt, steht schon unter dem Bischof von Regensburg. Nun fügt es sich manchmal, daß wegen einem Heiligen, z.B. wegen dem heiligen Korbinian, in der Diözes Freysingen Fasttag, im Regensburgischen Sprengel aber nicht Fasttag ist. Um das heilige Kirchengebot des Fastens nicht zu brechen, und doch ihren Appetit zu stillen, gehen die Landshuter an solchen Tagen zum Mittagessen über die Brücke, stopfen sich dort unter Regensburgischer Kirchendisciplin mit ruhigem Gewissen die Bäuche voll Fleischspeisen, und kehren Abends wieder unter den Gehorsam ihres Bischofs zurück, ohne auf diese Art weder ihrem Magen noch dem Kirchengeboth Abbruch gethan zu haben. Wer bewundert nicht das zarte Gewissen der Landshuter? ... Der Aberglaube hat hier wie unter dem ganzen baierschen Himmel seine glänzenden Ehrensäulen. Die Hauptkirche ist dem heiligen Kastulus geweiht. Dieser heilige Kastulus ist zu Mosburg, 3 Stunden ober Landshut geköpft worden, und, ich glaube mit dem Kopf unterm Arm, wie Sankt Felix, Regula und Exsuperanz zu Zürich, bis hieher gewandert. In seiner Kirche hängt in einer silbernen Einfassung ein runder Stein in Form eines Brodes, in dessen Oberfläche vier kleine Höhlungen eingegraben sind. Hören Sie die Legende darüber: Der heilige Kastulus kam noch vor seinem Tode als ein armer Mann zu einer frommen Wittwe, und bat um Almosen; die Wittwe befahl ihrer nicht so frommen Tochter, dem Armen ihr einziges noch übriges Brod zu geben; die Tochter dachte ökonomischer, und wollte noch ein Stück von dem Brod für sich zurückbehalten: Kaum hatte sie in diesem Vorhaben die Finger angesetzt, um eine Portion abzubrechen, als zur Strafe ihres Neides das Brod sogleich in Stein verwandelt ward, und zum ewigen Andenken des bestraften Neides die angesetzten Finger noch eingedrückt zeigt. Der heilige Kastulus hat meines Erachtens seine Wunderkraft in diesem Fall sehr unschicklich gezeigt; denn auf diese Art bekam auch er selbst nichts zu essen - Was muß man von dem hochwürdig und gnädigen Herrn Probsten des Stiftes denken, daß er das Subjekt dieses pöbelhaften Schwankes nicht aus der Kirche wegschaft! Scheint nicht sein Cerebell auch einer Petrifikation nahe zu seyn? (Seite 51-52) (...)Von den Mädchen aus Landshut muß ich Ihnen noch dieses sagen, daß sie zwar schön, aber nicht so schön, wie die Straubingerinnen sind. Dabei giebt es viele liederliche Waare unter ihnen, so, daß ein gemeines Mädel, wenn sie eine Landshuterin genannt wird, sich dieses zu keiner sonderlichen Ehre zu rechnen pflegt. (Seite 56-57) (...) Freisingen.
Das höchste Gut eines Freysingers ist ein unversiegender Bierkrug, und ungestörter Müßiggang. Zu diesem hat er auch ununterbrochene Gelegenheit vermöge der vielen Andachten und öffentlichen Feste im Dom und Kollegiatstiften: Da sind die beiden Klöster Weihenstephan und Neustift, die fleißig Prozeßionen halten, und noch fleißiger Bier sieden, um die durch Bethen ausgetrockneten Freysinger zu laben; da ist die Wallfahrt auf der Wiese, die besonders von der jungen Welt eifrig besucht wird, weil der Weg dahin durch ein angenehmes dickes Wäldchen führt; da ist das anderthalb Stunden entlegene Dorf Rudelfing, wohin von Ostern bis Pfingsten alle Samstage das halbe Freysingen läuft, weil es, wenn es alle sieben Samstage ausgehalten hat, so viel ist, als wäre man nach Rom gegangen. In der Stadt selbst hört man den ganzen Tag durch unaufhörlich läuten, und stoßt immer auf ganze Trupps von Geistlichen, so, daß es die Freysinger selbst zum Sprüchwort gemacht haben: "Wer in Freysingen nicht hat läuten hören, und keinen Pfaffen gesehen, der darf nicht sagen, daß er dort gewesen." - Die Zahl dieser Leute kann auch den Umständen nach nicht gering seyn; Das Dommstift, drei Korherrenstifte, die vier Stadtpfarren unterhalten eine ungemeine Zahl derselben. Es wimmelt von Dommherren, Dommizellaren, Korherren, Korvikarien, geistlichen Räthen, Kaplanen, Benefiziaten, Supernumerarien, Stipendiaten, Messenfischern u.s.f. Aus den Häusern dieser hochwürdigen Mysoginen könnte man ein zahlreiches schönes Serail sammeln; denn die von der ersten Klasse halten sich jeder etwa drei Mädchen auf den Kopf, die von der zwoten zwei, und die von der dritten eine: Darum ist in diesem Artikel eben kein Mangel, und man lebt ziemlich frei. (Seite 65-66) (...)Ingolstadt.
Der Ort ist glücklicher Weise eine Festung. Es liegen gewöhnlich drey Regimenter Infanterie in Garnison da; und diese haben wie alle baierische Regimenter eine ungeheure Zahl Offiziers. Unter diesen ist dann viele liebe Jugend, manches ahnenstolze Gräflein und Barönlein, das vermöge seiner gewixten Stiefeln, steifen dicken Zopfes und hohen schwankenden Federbusches alle Welt kommandiren zu dürfen glaubt. Dagegen sind die Musensöhne auf ihre Privilegien nicht minder stolz. Dieser Umstand ist, wie man aus der traurigen Erfahrung hat, eine unerschöpfliche Quelle immerwährender Zänkereien: Es vergeht kein Jahr, daß nicht das Militär und die Studenten in Handgemenge gerathen, die sich nicht selten mit Blutergüßen, mit Wunden und Tod enden. Eine dergleichen große ernsthafte Schlägerei war z.B. im Jahre 1778, da pfälzische Truppen nach Baiern kamen. Es wurden einige Studierende schwer verwundet, ein Paar sogar auf Zeit Lebens zu unbrauchbaren Krüppel gehauen. Was ist die Folge dieser Fehden? Beide Parteien gehen mit ihren Berichten nach München, und verklagen einander. Gewinnen die Studenten - welches gewöhnlich geschieht, weil sie von den Professoren und Bürgern unterstützt werden, und der Hof selbst allemal zu ihrem Beßten ein Aug zudrückt - so besteht die Satisfaktion darin, daß ein Paar gemeine Soldaten Stockprügel kriegen, etwa ein Offizier ein Paar Stunden ins Stockhaus kömmt, und allenfalls das Regiment von einem andern abgelöset wird. Gewinnt das Militär, so ist seine Satisfaktion diese, daß die studierenden Rädelsführer des Tumults selbst unter das Militär gesteckt werden. In keinem Fall wird der Groll und die Erbitterung irgend einer Parthei vermindert oder gehoben, sondern nur noch mehr angefacht; und in der nächsten Zechstube oder auf dem nächsten Tanzboden wird das Nachspiel zur ersten Fehde gefochten. (Seite 74-75) (...)Augsburg.
Daß Augsburg groß und schön sey; daß es aber von seinem ehemaligen Reichthum und Ansehn sehr heruntergekommen sey, dieß wissen Sie von allen Geographen und Reisebeschreibern. Ueber diese Materie also nichts weiter. (Seite 92) (...)Der gemeine Haufe in Augsburg ist in der Atmosphäre eines Bierfasses allemal guter Laune; und in diesem einzigen Punkt kommen sich die Religionsverwandten beider Partheien etwas nahe. An jedem Sonntag und Feiertag stecken alle Gärten in der Jakober=Vorstadt, in der Rosenau, auf dem Schießgraben etc. voll Volks. Alles füllt sich dort den Bauch mit dem ziemlich schlechten Bier, und vergißt während dem sein häusliches Elend. Die Mädchen gehen schwarmweise ohne Chapeau in die öffentlichen Wirthshäuser und Gärten, und trinken auf ihren eignen Konto mit den Mannsleuten in die Wette. Stubenmädchen und Kammerjungfern in französischem Putze lassen sich von ihrem Anbether willig zu einem Krug Bier führen, wenn sie nur einen Amanen haben. - Die Patrizier und Kaufleute fahren an diesen Tagen nach Oberhausen, auf die sieben Tische, und nach Göckingen; die mittlern Bürger schießen nach der Scheibe, und der Troß von Schneidern, Schustern und Webern übt sich im Pfeilschiessen. - Zu gewissen Zeiten hält sich der Herrenstand Konzerte, worin auch manchmal einige von den ärmsten Bürgertöchtern singen. Das Ganze ist meist so beschaffen, daß es scheint, daß bekannte Epigram sey eigentlich für Augsburger gemacht: Die Herren stimmen fast lang; am Ende kömmt doch nichts heraus: Sind freie Reichsbürger, meynen sie wären aufm Rathhaus. Der Religionshaß ist in der That sehr sichtbar, was auch immer die Augsburger dagegen sagen und schreiben mögen. Sie sperren sich mächtig gegen diesen Vorwurf, so daß man die gute Hoffnung schöpfen darf, daß sie im Stillen selbst von der Schändlichkeit dieser elenden niederträchtigen Denkart überzeugt seyen; und daß vielleicht in einigen Generationen dieser Flecken ihres Karakters allmählich ausgefegt werde. Heut zu Tage aber wirkt der Paroxismus noch in aller Stärke, die selbst des siebzehnten Jahrhunderts würdig wäre. Doch ist der Magistrat davon ausgenommen, und dieß ist eine seiner schönsten Seiten. (Seite 93-95) (...) Zur Unterstützung der Aufklärung ist Augsburg mit einer hinlänglicher Zahl von Buchläden versehen. Unter den Protestantischen, schaffet Kletts Wittwe die neuern Bücher an. Die übrigen aber behelfen sich ihrer ältern Sachen, oder wohlfeiler, und schlechter Nachdrücke, die ihnen alle Winkeldrucker aus Franken, Schwaben und der Pfalz etc. etc. tauschweise liefern. Bei den katholischen sind Wolf und Rieger die angesehensten, weil sie reich sind und große Paläste haben. Rieger versieht das ganze katholische Deutschland mit Predigten. Sein Verlag ist sehr dick, und er hat dabei ein schönes Vermögen gesammelt. Er hält das ganze Jahr hindurch einige dreißig Kerle, die mit Butten auf den Rücken, oder mit Karren vol heiliger Sermone ganz Tyrol, Baiern, Schwaben, Franken und Oesterreich durchstreifen, und den gemächlichen Pfarrern das Futter für ihre geistliche Heerde auf Jahre lang verkaufen. Es soll manchen alten Kuraldekan geben, der schon den ganzen Riegerschen Verlag durchgepredigt hat. - Wolf hat die geistliche Nahrung der katholischen Laien in Verlag; alle die Himmelsschlüsseln, Paradiesgärtlein, Seelenwecker etc. und die Kochemiana und Merziana. Er ist ein lebendiger Beweis von dem Satz in Sebaldus Nothanker: "Je dümmer das Publikum ist, desto größeres Glück macht der Buchhändler." Sein Verlag ist der dümmste; aber er hat sich damit einen prächtigen Pallast und Garten in der Stadt, ein gräfliches Landgut, und Kutschen und Pferde erhandelt. Stage und Klett werden sich mit dem Mark der deutschen Litteratur nie den Zehntheil dessen erwerben, was Wolf mit den Exkrementen derselben gewann. Die Lage der Stadt ist nicht unangenehm. Sie steht auf einer kleinen Erhöhung, und hat rings umher einige Alleen, aber nur von Weidenbäumen. In den obersten Gemächern es Rathhauses hat man eine grosse Aussicht über das berüchtigte Lechfeld, wo die Herrn Weber von Augsburg ihren Heldenmuth zeigten, aber doch die Stadt schwerlich vom Untergang würde gerettet haben, wenn nicht eine Hexe den Attila ins Bockshorn gejagt hätte. Mir ist diese Schwachheit der Hunnen sehr begreiflich: Eine alte, ausgedörrte, nackte Ausburgerin mit lederfarbener Haut auf einem eben so eckelhaften Gaul kann auch wohl ohne Hexerei dem tapfersten Mann kalten Schweiß in die Glieder jagen. Dieses skandalöse Spektakel sieht man an einem Thurm gemalt, und in allen Kroniken der Stadt gemeisselt. - An der nordostlichen Spize der Stadt liegt auf dem Wal ein Garten, genannt Lueg=ins=Land; das heißt, von dem man weit ins Land herum luegen oder schauen kann. Er verdient diesen Namen; denn von da aus hat man einen der schönsten Prospekte gegen den Ausfluß des Lech hin, und im ganzen Halbzirkel herum. (Seite 104-105) (...) München.
Diese Volksmenge verzehrt jährlich ungefähr
Ein großer Theil Pöbels ist zwar sehr arm; aber er findet doch immer Gelegenheit, sich so viel zu verdienen, oder zu erbetteln, daß er sich einen Krug Bier anschaffen kann; und bei diesem ist er sich in seinen eignen Augen reich genug. Die meisten Bürger sind sehr eifrig katholisch. Sie gehen fleißig in die Messen, und Predigten. Je mehr aber Schwärmerei in diesen herrscht, je größer wird der Zulauf. (Seite 123) (...) In dem Kloster Andechs sollen Knochen von beinahe einer halben Million Heiliger seyn, und nebst denselben noch verschiedene Raritäten aus der Kunst= und Naturalienkammer der Römischen Religion: Als da sind, Milchtropfen aus der Brust der Maria, Haarlocken von der heiligen Anna, Silberlinge für die Ischarioth Kristum verkauft hat, Blutstropfen, Röcke von Veronika´s Schweißtuch, Dornspitzen aus der Krone, und derlei Sächelchen mehr. Bei Tegernsee fließt Steinöl; dieß muß ein heiliger Quirinus wie Mose aus dem Felsen gezapft haben. In Ettal haben sie eine Maria aus einer Gattung Allabaster, die gar im Himmel fabrizirt, und von dem heiligen Benedikt dem exkommunizirten Kaiser Heinrich herunter gebracht worden seyn soll. Vor Zeiten machten die Mönche den jämmerlichen Schwank, und behaupteten, die Materie dieses Bildes sey gar nicht irdisch; denn weder Juwelier noch Steinschneider kennen sie: Es ist unmöglich, daß ein paar hungrige Schlucker, um einige Tage in der Abtei zu schmausen, ihnen dieses Kompliment gemacht haben; aber man weiß nun wohl was der Stoff des Bildes sey. Lassen Sie mich nun einige allgemeine Nachrichten und Anmerkungen über Baiern niederschreiben, Karl! (Seite 135) [Erste Nachricht] Von Niederkunftsanstalten war in Baiern seit dem Herzog Thassilo bis auf das Jahr 1782. gar niemals weder Begriff, noch Gedanke, noch Rede. Sie haben oben aus der Liste der Bewohner München´s gesehen, daß ein einziger Accoucheur in der Stadt ist, und dieser ist auch bisher noch der einzige im ganzen Lande. Erst ganz allerjüngst hat man endlich eine Entbindungsschule in München angelegt, und Lob, Ehre und Heil sey dafür dem Regenten! Weil aber diese Schule fürs ganze Land erst nach etwa einem Jahrzehend sichtbaren Einfluß haben kann, so ist sie für izt noch als nicht existirend zu betrachten; und da schauderts einem, wenn man das Korpus der Hebammen, besonders jener auf dem Lande betrachtet ... Diese Weiber, die sich bloß aus Armuth auf dieses Metje verlegen, sind gewöhnlich die elendsten Geschöpfe eines ganzen Dorfs; Weiber von Taglöhnern, die weder lesen noch schreiben können. Daß sie je einen Unterricht zu diesem Amte genießen sollten, daß sie vor Zulassung zu demselben von Medizinern und Chirurgern sollten geprüft werden, daran dachte man wenigst bisher nicht, so weit der baiersche Horizont reicht. - Eben so wenig weiß man bis izt noch von Wittwenverpflegungen, und es ist traurig, wenn der Vater, der dem Staat ein getreuer Bürger war, im Todbette liegt, und sieht Weib und Kind um sich heulen und jammern, und weiß voraus, daß nach seinem Tode niemand sich ihrer annehme, und daß sie werden gezwungen seyn, das Brod vor den Thüren der Reichen zu sammeln. (Seite 151-152) [Zweite Nachricht] Die Kriminal=Justiz in Baiern ist überhaupt scharf, kurz, und exakt, wie ein gewisser Schriftsteller sagt. Ihr Koran ist der Codex Macimilianeus, der unter der vorigen Regierung hauptsächlich verfaßt worden, und zum Theil aus Verordnungen der Karolina, zum Theil aus eignen Landesgesetzen besteht. Diebereyen werden das erstemal und zweytemal mit öffentlichen Karbatschstreichen, mit Zuchthaus oder Staupenschlägen gestraft; beim dritten Angriff aber, wenn er auch nicht viel beträgt, wird der Thäter als inkorrigibel betrachtet, und mit dem Tode bestraft. Diese Todesstrafen sind äusserst häufig: Noch vor wenigen Jahren hiengen stets alle Galgen neben den Landstrassen voll faulender Kadaver und Todtengerippe; aus übel verstandenen Grundsäzen hatte man die Galgen beynahe alle dicht an die Strassen hingebaut, um den Ruchlosen den rächenden Arm der Themis sichtbar und ruchbar zu machen; aber man bedachte nicht, daß mehr ehrliche Leute durch den Gestank und scheußlichen Anblick gepeiniget würden, und daß der Galgen doch keinen Spitzbuben ehrlich mache. Endlich erbarmte man sich der Reisenden, und gebot, die Gehenkten noch am nämlichen Abend wieder herunter zu nehmen; aber die Galgen selbst stehen noch immer statt der Baumallee an den Strassen; und an den Gränzen jedes Pfleggerichtes stehen hohe Pfähle mit einer breiten Tafel, auf der alle Arten von Henkersarbeiten gemalt sind. Z.B. einer wird geköpft, ein anderer gehangen, ein dritter gerädert, ein vierter mit dem Staupbesen gepeitscht; und darunter steht mit großen Buchstaben: "Straf3 der Bettler, Landstreicher und Vaganten." Allein, diese an das Brett gemalten Henkersknechte sind den Landstreichern so wenig fürchterlich, daß sie sich nicht selten in den Schatten einer solchen Tafel setzen, und dort Mittagsmahl halten. - In München war manches Jahr alle Wochen ein oder zweimal Exekution, und so oft nun Exekution war, war auch Feierabend in Werkstädten, und während dem Regimente der Jesuiten auch Vakanz in Schulen. Das Henken, Köpfen und Rädern, erzählte nun ein Innländer, erhob sich dann ordentlich zu einer Art öffentlicher Volksfeierlichkeit. Die Säuglinge der feinern Musen, wie die Egeln des kasuistischen Sauerteigs liefen hastig aus der Schule heraus der Fronveste zu, aus der man den Unglücklichen schlepte, der heute das Spektakel der Stadt, oft weil er nur eine Kleinigkeit plump gestohlen, seinen Kopf nicht ausgezeichnet, und das Werke seiner Dieberei weder durch einen künstlichen Einfall, noch durch eine standesmäßige Summe noblilirt hat, werden sollte. Handwerker und Knechte aus allen Ständen, müßige Mägde, schöne, hübsche, gesunde, artige Kinder, wie Grazien gebildet, Frauen, und alte Weiber opferten das Gefühl ihres Standes dem Vorwitz auf, und mischten sich in die Menge, drängten sich dicht am sogenannten armen Sünder her, nahmen mit ihren Augen von Fuß auf das Maaß desselben, schlürfelten seine Mienen, und Gebärden in sich, blärten dem tollen Geistlichen seine rauschvolle dem Malefikanten wie die letzte Folter begleitende unmoralischen Moralen nach, und wurden Zeugen des blutigen Todes. Bei solchen Spektakeln weint sonst die feinere Menschheit. Hier versammelte sich dieselbe zahlreicher, je blutiger das Urtheil ist; und es ist gewiß, daß sich an dem Tage, an dem man einen Menschen verbrennt hat, eben so viele Leute eingefunden haben, als wenn man ein Feuerwerk gegeben hätte. Aber in jedem Alter, und jedem Kleide giebt es ja Pöbel. Gar schön war dann Abends oft die Wirkung des Spektakels zu vernehmen. Man gab sie um die Leute von lasterhafen Leben abzuschrecken, und nicht selten mußte man erfahren, daß an diesen Tagen eine Menge Tobatieren, Uhren, Schnopftücher, und anderes Gezeug, eben so ungefähr, wie bei den größten Feierlichkeiten, und Andachten in Kirchen gestohlen worden, worinn man fast einen Beweis finden möchte, daß trotz dem neuen Widerkäuen der Kriminalisten Todesstrafen kein abschreckendes Mittel seyen. Ein Regierungsrath von Burghausen, Baron Hartmann, hat in einer öffentlichen Schrift versichert, daß in der einzigen Regierung Burghausen, der kleinsten aus allen, vom Jahr 1748 bis 1776 nicht weniger als 1100 Menschen durch den Henker sind hingerichtet worden; eine ungeheure Zahl, wenn man bedenkt, daß jener Fleck Landes nicht mehr als 174057 Menschen in sich enthält. - Man hat in den neuern Zeiten die Todesstrafen etwas gemildert und beinahe blos auf den Schwerdtschlag eingeschränkt; in den neuesten Tagen aber wurden bei der Entstehung vieler und zahlreicher Räuberbanden die Strafen der Missethäter bekanntlich wieder geschärft, oder verbarbarisirt, wie Sie es nennen wollen; denn es wurden Zwickungen mit glühenden Zangen, lebendiges Rädern von unten auf, und dergleichen befohlen. Traurige Mittel, Verbrecher und Verbrechen zu mindern! Denn man hat die Erfahrung, daß Diebe und Räuber allemal die Menschen ärger mishandelten, je schärfer die ihnen angedrohten Todesstrafen waren. Jene Räuberbanden bestanden meist aus abgedankten Schergen (Gerichtsdienern), abgedankten Soldatetn, und dergleichen Leuten, die an keine Arbeit gewöhnt waren, und doch mit einmal ausser Verdienst gesetzt wurden. Hätte man sie sorgfältig in Arbeitshäuser zusammen gesteckt, so wären die unglücklichen Landsleute vor ihnen sicherer gewesen, als durch Schärfung der Todesstrafen ... Dieß ist schon ein alter Fehler der baierischen Polizei, statt den Leuten nöthige Arbeit und Nahrung zu verschaffen, will man sie blos durch Feuer und Schwerd vom Laster abhalten: und so häuft man unnütze Grausamkeit; ein Fall, der zu unsern Zeiten beinahe das jämmerlichste ist, was man von einem zivilisirten Staat sagen kann. (Seite 164-167) [Schlußwort] Die neuesten Versuche und Verbesserungen in der Landesökonomie sind in Baiern noch wenig bekannt. Die Bauern haben gar keine Gelegenheit, etwas davon zu erfahren, und sind auch im Durchschnitte zu eigensinnig, etwas an ihren alten Gewohnheiten zu ändern; und Beamte, Landedelleute, und Klosterökonomen sind ebenfalls die Leute nicht, dergleichen Kenntniße nach Verdienst auszubreiten. Die baierschen Beiträge selbst schildern sie in einem nicht vortheilhaften Lichte. Auch ist es bisher nicht wohl anders möglich gewesen: Der Beamte hat seine Schulen durchlaufen, die bis auf die neuern Zeiten alle blos zur Bildung eines Theologen abzweckten; dann ist er einige Jahre Praktikant, nachher Untersschreiber, dann Mittelschreiber, endlich Oberschreiber gewesen; hat während all dieser Zeit ganz und gar nichts gelesen und gedacht, als was für sein Schreibpult nöthig war, welches in der That sehr wenig ist; ist endlich in die Stelle eines Beamten eingerückt, hat sich verheirathet, und nun in seiner Behaglichkeit beim Alten gelassen. - Ist er auf Empfehlung und Fürsprache einer Kammerjungfer des Grafen oder Ministers zu Beamtenstelle gekommen, so verstehen sich die Folgen von selbst. - Der Landedelmann trinkt, reitet, jagt, spielt, schläft, und bekümmert sich um wenig weiters mehr; sondern verläßt sich auf seinen Verwalter, einen Mann wie der obige Beamte, - Der Klosterökonom ist ein Student gewesen, hat sich so ziemlich ordentlich betragen, hat wenig mit Mädchen zu thun gehabt, hat wärend seiner Inferiorum einige Prämia erhalten, ist in der Philosophia unter den Beßten gewesen, aufgenommen worden, hat sich als Noviz abscheulich hudeln lassen, ist seitdem seinem Prior und Reuerendissimus wie ein Kind ehrerbiethig gewesen; darum macht man ihn zum Oekonom. Wie könnten diese Menschengattungen aufklären und verbessern helfen! (Seite 182-183) |